Vertriebsmodell über Automaten von apothekenpflichtigen Arzneimittel durch Doc Morris mit Videoberatung ist eine unzulässige Form des „Versandes an den Endverbraucher“

1. Bei einem Vertriebsmodell, das einen „antizipierten Versand“ verschreibungs- und apothekenpflichtiger Arzneimittel aus einer niederländischen Versandapotheke an ein im Bundesgebiet betriebenes Medikamentenlager mit angeschlossenen Räumlichkeiten für den Kundenkontakt, eine Videoberatung der vor Ort anwesenden Kunden und eine Abgabe der Arzneimittel mit Hilfe eines ferngesteuerten Ausgabeautomaten umfasst, handelt es sich nicht um eine zulässige Form des „Versandes an den Endverbraucher […] von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG.

2. Die differenzierten gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Regelungen über die Arzneimittelabgabe an Endverbraucher tragen den mit den verschiedenen Möglichkeiten des Transports und der Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt einhergehenden Gefahren Rechnung. Der Art und Weise der Kontaktaufnahme des Kunden mit der abgebenden Apotheke misst der Normgeber demgegenüber keine strukturelle Bedeutung für die Unterscheidung der Vertriebswege bei.

3. Die nunmehr in § 17 Abs. 1b Satz 1 und 3 ApBetrO geregelte Abgabe durch automatisierte Ausgabestationen stellt keine eigenständige Vertriebsform dar. Es handelt sich vielmehr um besondere Vertriebsmodalitäten, die jeweils den Vertriebsformen der Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen bzw. im Wege des zugelassenen Versandhandels zugeordnet sind.

4. Die Beschränkung der Abgabe apotheken- und rezeptpflichtiger Arzneimittel an Endverbraucher auf die Abgabe innerhalb einer Apotheke, den Versand aus einer inländischen Apotheke und den Versand aus einer ausländischen Apotheke ist auch vor dem Hintergrund des „Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 21.10.2021 9 S 527/20

„Antizipierter Versand“ verschreibungs- und apothekenpflichtiger Arzneimittel aus einer niederländischen Versandapotheke an ein im Bundesgebiet betriebenes Medikamentenlager mit Kundenkontakt als „Versand an Endverbraucher“ i.S.d. § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG 1976

Leitsätze

1. Bei einem Vertriebsmodell, das einen „antizipierten Versand“ verschreibungs- und apothekenpflichtiger Arzneimittel aus einer niederländischen Versandapotheke an ein im Bundesgebiet betriebenes Medikamentenlager mit angeschlossenen Räumlichkeiten für den Kundenkontakt, eine Videoberatung der vor Ort anwesenden Kunden und eine Abgabe der Arzneimittel mit Hilfe eines ferngesteuerten Ausgabeautomaten umfasst, handelt es sich nicht um eine zulässige Form des „Versandes an den Endverbraucher […] von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG.

2. Die differenzierten gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Regelungen über die Arzneimittelabgabe an Endverbraucher tragen den mit den verschiedenen Möglichkeiten des Transports und der Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt einhergehenden Gefahren Rechnung. Der Art und Weise der Kontaktaufnahme des Kunden mit der abgebenden Apotheke misst der Normgeber demgegenüber keine strukturelle Bedeutung für die Unterscheidung der Vertriebswege bei.

3. Die nunmehr in § 17 Abs. 1b Satz 1 und 3 ApBetrO geregelte Abgabe durch automatisierte Ausgabestationen stellt keine eigenständige Vertriebsform dar. Es handelt sich vielmehr um besondere Vertriebsmodalitäten, die jeweils den Vertriebsformen der Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen bzw. im Wege des zugelassenen Versandhandels zugeordnet sind.

4. Die Beschränkung der Abgabe apotheken- und rezeptpflichtiger Arzneimittel an Endverbraucher auf die Abgabe innerhalb einer Apotheke, den Versand aus einer inländischen Apotheke und den Versand aus einer ausländischen Apotheke ist auch vor dem Hintergrund des „Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 4. April 2019 – 3 K 5393/17 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine nach niederländischem Recht zugelassene, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene (Versand)Apotheke, wendet sich gegen ein Verbot des Inverkehrbringens von Arzneimitteln im Wege des Automatenvertriebs im Bundesgebiet.
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Im Zeitraum vom 19.04.2017 bis zum 21.04.2017 bzw. – beschränkt auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente – bis zum 14.06.2017 bot die Klägerin in den Räumen einer ehemaligen Apotheke in H. (Neckar-Odenwald-Kreis) eine „pharmazeutische Videoberatung mit angegliederter Arzneimittelabgabe“ an, die den Erwerb apotheken- und verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit Hilfe eines Videoterminals, eines Ausgabeautomaten und eines Bezahlterminals ermöglichte. Im Einzelnen stellt sich das Geschäftsmodell wie folgt dar: Mieterin der Räumlichkeiten ist die in Form einer GmbH niederländischen Rechts betriebene Schwestergesellschaft der Klägerin T., die dort neben für den Kundenverkehr geöffneten Räumen ein Arzneimittellager mit ca. 8.000 häufig benötigten Arzneimitteln betreibt. Diese werden zunächst von der im Bundesgebiet ansässigen, mit der Klägerin wirtschaftlich verbundenen C. GmbH, die bis zur Abgabe an den Endkunden Eigentümer der Arzneimittel verbleibt, in die Niederlande geliefert, dort einer stichprobenartigen Kontrolle unterzogen und anschließend in die Geschäftsräume nach H. verbracht, wo ein Mitarbeiter der T. sie einzeln abscannt, das Verfallsdatum prüft und sie mit Hilfe eines Kommissionierungsautomatens einlagert. Anhand der so erstellten Inventarlisten prüft ein für die Klägerin in den Niederlanden tätiger Apotheker regelmäßig die Resthaltbarkeit der eingelagerten Medikamente, wobei Arzneimittel mit einer Resthaltbarkeit von unter sechs Monaten identifiziert, ausgesondert und von einem Mitarbeiter der T. an den Großhändler retourniert werden. Die für den Kundenverkehr geöffneten Räumlichkeiten umfassen einen Empfangsraum mit einem Mitarbeiterschreibtisch und einer Sitzgruppe sowie einen verschließbaren Beratungsraum mit einem PC-Arbeitsplatz, Webcam, Scanner, Drucker, Bezahl- und Arzneimittelabgabeterminal sowie einer Personenwaage, die im Eigentum der T. stehen. Im laufenden Betrieb werden Kunden zunächst im Empfangsraum durch den sog. „Welcome Manager“ – einen Angestellten der T. mit nichtpharmazeutischer Ausbildung – empfangen, der technische Abläufe erläutert, beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung assistiert und den Kunden anschließend in das Beratungszimmer führt. Die als „Einverständnis- bzw. Datenschutzerklärung“ bezeichnete Rahmenvereinbarung umfasst die Einrichtung eines Kundenkontos zur Nutzung des „[Name der Klägerin]-Vertriebswegs mittels des Arzneimittelausgabeterminals“ und enthält den Hinweis, dass die Geschäftsbeziehung mit der Klägerin zustande kommt. Sodann kann der Kunde per Videochat mit einem in Deutschland zugelassenen pharmazeutisch-technischen Assistenten bzw. Apotheker, der sich in den Geschäftsräumen der Klägerin in den Niederlanden aufhält („Berater“), Kontakt aufnehmen. Hierzu scannt er zunächst die Datenschutzerklärung und etwaige Rezepte ein, die vom Berater digital eingesehen und geprüft werden können; die Originale verbleiben zunächst in einem verschlossenen Fach und werden der Klägerin anschließend in die Niederlande übersandt. Bei bereits angelegten Kunden genügt die Angabe von Name, Anschrift und Geburtsdatum an Stelle der Rahmenvereinbarung. Im Anschluss führt der Berater ein Beratungsgespräch über Beschwerden und Anliegen des Kunden, prüft die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und veranlasst ggf. deren Bestellung. Bei vorrätigen Artikeln wird zunächst automatisiert geprüft, ob die Pharmazentralnummer (PZN) auf dem durch den Berater freigegebenen Auftrag mit der PZN der Arzneimittelpackung übereinstimmt; dieser kontrolliert anschließend mit Hilfe der Videoübertragung, ob die Packung auf dem Förderband dem Auftrag entspricht. Bei Freigabe der Bestellung durch den Berater wird das Medikament auf einem Förderband weiterbefördert, wobei eine weitere Sichtkontrolle per Videokamera stattfindet. Nach Bezahlung am Bezahlterminal wird das Medikament automatisiert mit dem Namen des Kunden und – sofern vorhanden – ärztlichen Dosieranweisungen versehen, bevor es über das Förderband und einen Ausgabeschacht an den Kunden abgegeben wird. Bei Nichtverfügbarkeit kann der Kunde ein Arzneimittel entweder bestellen und einige Tage später abholen oder den Bestellvorgang unter Rückgabe des Rezepts abbrechen; eine Lieferung an einen vom Kunden bestimmten Ort ist nicht möglich. Über den Drucker kann der Berater dem Kunden Informationen (z.B. über die Arzneimittel und mögliche Nebenwirkungen) zukommen lassen; die Personenwaage ermöglicht u.a. eine Gewichts- und Ernährungsberatung. Eine Bestellung von Arzneimitteln ohne den Berater ist nicht möglich, auch wenn die Videoübertragung aus dem Beratungsraum kundenseitig deaktiviert werden kann; der „Welcome Manager“ ist im Beratungszimmer grundsätzlich nicht anwesend, kann aber ggf. bei technischen Fragen oder Problemen assistieren.
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Mit Bescheid vom 21.04.2017 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Klägerin nach vorheriger Anhörung, nicht für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegebene Arzneimittel mittels des Automaten in den Räumlichkeiten in H. in den Verkehr zu bringen (Ziffer 1 des Bescheids), ordnete die sofortige Vollziehung im Hinblick auf verschreibungspflichtige Medikamente an (Ziffer 2), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 EUR an (Ziffer 3) und setze eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 500 EUR fest (Ziffer 4).
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Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei nach § 69 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) verpflichtet, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen zu treffen. Die Klägerin verstoße gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, da sie apothekenpflichtige Arzneimittel außerhalb einer Apotheke und nicht im Rahmen ihres Versandhandels in den Verkehr bringe. Eine Apothekenerlaubnis nach § 1 Abs. 2 Apothekengesetz (ApoG) habe sie nicht beantragt; die von ihr betriebene Abgabe von Arzneimitteln stelle auch keinen Versandhandel dar. Dieser grenze sich von der Arzneimittelabgabe in einer Präsenzapotheke dadurch ab, dass das Arzneimittel von einer Apotheke, aber nicht in deren Betriebsräumen abgegeben werde, wobei die Versendung an die Stelle der unmittelbaren Übergabe trete. Der in H. betriebene Automat werde jedoch im Vorfeld mit häufig benötigten Arzneimitteln bestückt, so dass vorrätige Arzneimittel unmittelbar nach der Anforderung auf Veranlassung eines Apothekers abgegeben werden könnten; eine Versendung nach Anforderung durch den Kunden „aus einer öffentlichen Apotheke heraus“ (§ 11a ApoG) finde nicht statt. Auch für den Kunden entstehe nicht der Eindruck eines Versandhandels; vielmehr bezeichne die Klägerin den „digitalen Beratungsservice mit Abholfunktion“ selbst als „Apotheke der Zukunft“ und müsse sich daher den Anforderungen an den Betrieb einer Präsenzapotheke stellen. Entgegen § 4 Abs. 4 Satz 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) lägen die den „Versandhandel“ betreffenden Räume auch nicht in angemessener Nähe zu den in den Niederlanden gelegenen übrigen Betriebsräumen; auch die Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und Abs. 6 ApBetrO könne die Klägerin nicht – wie vorgeschrieben – unmittelbar bei Abgabe des Medikaments erfüllen, da die Verschreibung dem Apotheker zunächst nicht im Original vorliege. Die Untersagung sei erforderlich und verhältnismäßig, da das Interesse, Fehlanwendungen und Missbräuchen vorzubeugen, gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin überwiege. Durch den Betrieb von Terminalapotheken, die den hohen Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung nicht genügten, würden Präsenzapotheken verdrängt und die durch das Gesetz bezweckte Wahlmöglichkeit des Kunden, eine persönliche Beratung wahrzunehmen, vereitelt. Die Video-Beratung sei auch kein gleichwertiger Ersatz für eine persönliche Beratung, da die Anwendung von Arzneimitteln nicht in vergleichbarer Weise demonstriert und der gesundheitliche Zustand des Kunden ggf. nicht richtig erfasst werden könne.
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Die von der Klägerin am 26.04.2017 gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 04.04.2019 abgewiesen. Mit Beschluss vom 17.02.2020 hat der Senat dem am 17.04.2019 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung entsprochen.
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Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Klägerin vor, dass das von ihr in H. verfolgte Geschäftsmodell eine Weiterentwicklung des Versandhandels darstelle, das keine Gefahren für die Gesundheit berge; vielmehr verdeutliche die Covid-19-Pandemie die Sinnhaftigkeit der Ergänzung herkömmlicher Vertriebskanäle durch die Arzneimittelbestellung über Versandhandel-Abgabeautomaten insbesondere in Ortschaften, in denen stationäre Apotheken nicht mehr rentabel betrieben werden könnten. Dieses innovative Modell wolle die Apothekerschaft indes im Interesse der Konkurrenzvermeidung verhindern, wie schon der Titel des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) zeige. Eine Gesundheitsgefahr sei mit derartigen Vertriebssystemen auch dann nicht verbunden, wenn es – wie von ihr – im Wege einer Versandapotheke betrieben werde. Die über fünfzehnjährige Geschichte des Versandhandels mit Arzneimitteln in Deutschland belege, dass dieser zu einer Stärkung der Arzneimittelversorgung insbesondere in ländlichen Gebieten beitrage. Das Verbot des Betriebs automatisierter Ausgabestationen diene daher alleine der wirtschaftlichen Sicherung der Präsenzapotheken.
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Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines „Versands an den Endverbraucher“ im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG verneint, da ein solcher bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung auch dann vorliege, wenn ein Kunde Arzneimittel über ein vor Ort eingerichtetes Internet-Terminal bestelle und der Transport des Arzneimittels an den Übergabeort im Hinblick auf den zu erwartenden Kauf eines Arzneimittels bereits vorab erfolgt sei, so dass es nach der Bestellung im Internet direkt an den Kunden ausgeliefert werden könne. Im Jahr 2008 habe das Bundesverwaltungsgericht zur Auslegung des Versandbegriffs auf die Brockhaus-Enzyklopädie Bezug genommen, wonach der Begriff des „Versandhandels“ eine Form des Direktvertriebs bezeichne, bei der Einzelhändler, Großhandelsbetriebe und Hersteller ihre Angebote durch Kataloge, Prospekte, Anzeigen, elektronische Medien oder Außendienstmitarbeiter abgäben und die schriftlich, telefonisch, elektronisch oder mündlich bestellten Waren den Käufern durch Transportunternehmen oder eigene Transportmittel – ggf. unter Zuhilfenahme von Kontaktstellen – zustellten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch verstehe man unter dem Versandhandel vor allem E-Commerce-Angebote bzw. den Handel im Internet, während die Ware im klassischen Einzelhandel vor Ort persönlich und ohne Verwendung des Internets erworben werde. Auch wenn zum Versand auch die Übersendung der bestellten Ware gehöre, sei aus Sicht des Kunden vor allem die Bestellform im Internet maßgeblich, die hier über ein Internetterminal erfolge. Das engere Verständnis, das auf die Übermittlung von Waren auf Veranlassung des Versenders an den Besteller durch ein vom Versender beauftragtes Logistikunternehmen Bezug nehme, könne sich weder auf die Brockhaus-Definition noch auf den allgemeinen Sprachgebrauch stützen. Dass das von ihr angebotene Abholverfahren in Deutschland nicht in größerem Umfang praktiziert werde, stehe dem nicht entgegen, weil sie seit jeher als innovatives Unternehmen bekannt sei, das den aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Rahmen hinterfrage und die Arzneimittelversorgung zeitgemäß weiterentwickele. Überdies seien die Bestellmöglichkeiten im Versand- und Internethandel in den vergangenen Jahren durch neue Kommunikations- und Auslieferungstechnologien u.a. durch die Einführung des elektronischen Rezepts, den Ausbau telemedizinischer Dienste, die zunehmende Verkürzung der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung der Ware (z.B. durch Nutzung von Lieferdrohnen oder 3D-Druckern) zunehmend diversifiziert worden. Der antizipierte Versand sei dabei als eine der bedeutenden Weiterentwicklungen des Versandhandels anzusehen, wie z.B. eine entsprechende Patentanmeldung des Versandunternehmens Amazon im Jahr 2014 zeige. Der Einwand, dass der Versandhandel dem Kunden nicht die Möglichkeit gebe, die Sachherrschaft an den gekauften Waren nur wenige Sekunden nach Abschluss des Kaufvertrags zu erlangen, sei damit widerlegt. Eine Übermittlung der bestellten Waren an den Besteller erfolge sowohl in Form der antizipierten Lieferung nach H. als auch „auf der letzten Meile“ über das Förderband in den Räumlichkeiten in H. Dass die Versendung nicht an die Wohnadresse erfolge, sei unschädlich, weil auch die Versendung zum Zweck der Abholung an einer „Pick-Up Stelle“ als Versand zu qualifizieren sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts beschränke sich der Versand auf der „letzten Meile“ auch nicht auf das bloße Holen des Arzneimittels aus einem Lager und die Übergabe an den Kunden, da dem die antizipierte Verbringung nach H. und die Bestellung im Internet (als Form des „elektronischen Handels“) vorausgehe.
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Die historische Auslegung bestätige dieses Ergebnis, da die Gesetzesbegründung den Begriff des „Versandhandels“ im Sinne von „E-Commerce“, d.h. der Bestellung im Internet, verstehe und v.a. die bessere Medikamentenversorgung chronisch kranker, immobiler, älterer und berufstätiger Patienten sowie Kunden mit größeren Entfernungen zur nächsten Apotheke habe sicherstellen wollen. Diesem Sinn und Zweck entspreche auch ihr Angebot, da die letzte Vor-Ort-Apotheke in H. vor Jahren geschlossen habe, die abgegebenen Arzneimittel den von einer deutschen Apotheke abgegebenen Arzneimitteln entsprächen und Arzneimittelfälschungen keinen Vorschub leisteten. Den Verzicht auf eine weitere Kontrolle durch einen Apotheker nach dem Transport und bei der Übergabe an den Kunden habe der Gesetzgeber mit der Zulassung des Versandhandels ebenso hingenommen wie durch die jüngst erfolgte Zulassung der Bereitstellung und Abgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestation durch Vor-Ort-Apotheken, die keine anderen Gefahrenpotentiale als ihr Angebot berge. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abstelle, dass der bei ihr beschäftigte pharmazeutisch-technische Assistent bzw. Apotheker das Medikament nur einer äußeren Sichtkontrolle durch die eingerichteten Videoanlagen unterziehen könne, ergänze diese Sichtkontrolle lediglich die bereits im Vorfeld durchgeführten Kontrollen; im Übrigen sehe auch der Gesetzgeber bei Arzneimittelausgabeautomaten keine gesonderte Videokontrolle vor. Eine Kontrolle des Verfallsdatums erfolge zudem schon bei der Einlagerung; jedenfalls aber rechtfertige der Umstand, dass das Verfallsdatum nicht bei allen Medikamentenverpackungen auf der Frontseite angebracht sei, keine Komplettuntersagung, da ggf. auch eine Rundumkontrolle als milderes Mittel habe angeordnet werden können. Soweit die Verschreibung dem Videoberater zunächst nicht im Original vorliege, betreffe dies nur die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel; im Übrigen genüge eine Echtheitskontrolle mittels des Videoterminals, da z.B. auch die Möglichkeit einer haptischen Kontrolle die Unterschriftenfälschung nicht ausschließe. Dass so ein zusätzlicher Anreiz für die Fälschung von Medikamenten erzeugt werde, sei spekulativ. Im Übrigen habe der Gesetzgeber elektronische Verschreibungen mit Wirkung zum 16.08.2019 vorgesehen und wolle diese mit Wirkung zum 01.01.2022 sogar verpflichtend einführen.
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Aus § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG ergebe sich nicht, dass im Zeitpunkt der Verbringung des Arzneimittels in das Bundesgebiet ein namentlich individualisierter Empfänger bestehen müsse, da auch der antizipierte Versand eine Form des „Versandes an den Endverbraucher“ darstelle. Bereits die Verbringung der Ware nach H. erfolge in der Absicht, sie dort nach Bestellung im Internet im Wege des Versandhandels an den Endverbraucher abzugeben. Insoweit sei es ausreichend, dass der Versand auf den Vertriebsweg „Business-to-Consumer“ abziele und nicht auf die Abgabe z.B. an Gewerbetreibende. Auch das Bundesverwaltungsgericht bewerte z.B. die Abgabe an andere Empfänger (wie z.B. einen Drogeriemarkt) als Form der Abgabe an den Endverbraucher, wenn der Endverbraucher das Arzneimittel dort letztlich abhole. Entscheidend sei alleine, dass der Versand – wie auch hier – aus einer Apotheke heraus erfolge, ohne dass der Empfänger im Zeitpunkt der Absendung feststehen müsse. Soweit das Verwaltungsgericht darauf hinweise, dass nicht abverkaufte Medikamente unkontrolliert im Bundesgebiet verblieben, habe die notwendige Kontrolle bereits in den Niederlanden stattgefunden; im Übrigen erfolge nach Ablauf des Verfallsdatums oder bei Rückgabe durch den Endkunden eine Rücksendung in die Niederlande. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG wolle dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit in der Europäischen Union und den sich aus der Zunahme des Versandhandels und elektronischen Handels ergebenden Anforderungen Rechnung tragen. Eine nach der Vorschrift ebenfalls erforderliche Prüfung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolge hier auf Grundlage der niederländischen Vorschriften, die nach der „Gleichwertigkeitsliste“ den deutschen Anforderungen entsprächen; zudem seien die Arzneimittel spezifisch für den deutschen Markt produziert. Auch nach der Verkehrsauffassung sei ihr Geschäftsmodell nicht als Präsenzapotheke anzusehen.
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Die Annahme eines Versandhandels sei jedenfalls aufgrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung geboten. In Ansehung der grenzüberschreitenden Verbringung von Arzneimitteln und der Warenbestellung unter Verwendung des Internet stelle das Verbot eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar, die die Abgabe von Arzneimitteln durch inländische Apotheken und die Abgabe von Arzneimitteln aus Apotheken anderer Mitgliedstaaten aufgrund der Besonderheiten des deutschen Marktes, dass ausländische Apotheken nur über den Versandhandel Marktzugang erhielten, nicht in gleicher Weise berühre. Insoweit handele sie auch nicht rechtsmissbräuchlich. Insoweit verkenne das Verwaltungsgericht, dass ein Missbrauch im Bereich der Warenverkehrsfreiheit grundsätzlich ausgeschlossen sei bzw. nur unter strengsten Voraussetzungen angenommen werden könne. Jedenfalls seien bei der Würdigung angeblich missbräuchlichen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten. Vorliegend wolle sie sich nicht nationalen Vorschriften entziehen, sondern lediglich die ihr eingeräumte Möglichkeit zum Medikamentenversand im elektronischen Geschäftsverkehr nutzen; zudem trage der Versandhandel gerade zur Erreichung der Ziele der Warenverkehrsfreiheit bei. Soweit das Verwaltungsgericht eine Missbrauchsabsicht aus der Einschaltung der T. herleite, komme dieser nur eine untergeordnete Rolle zu, zumal der eigentliche Versandvorgang jedenfalls auch im Versand der Arzneimittel ins Bundesgebiet zu erblicken sei.
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Das mithin anwendbare Unionsrecht gebiete eine weite Auslegung des Versandhandelsbegriffs, da Eingriffe in die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit allenfalls zum Schutz vor Gesundheitsgefahren bei der Abgabe von Arzneimitteln gerechtfertigt sein könnten. Schon 2003 habe der EuGH aber festgestellt, dass eine Beeinträchtigung des Versandhandels mit Arzneimitteln außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stärker beeinträchtige als Apotheken in Deutschland (Urteil vom 11.12.2003 – C-322/01 [Deutscher Apothekerverband / DocMorris I] -, juris Rn. 74). Vor diesem Hintergrund habe er zuletzt etwa die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beanstandet, da sie zum Schutz der Gesundheit nicht geeignet sei (Urteil vom 19.10.2016 – C-148/15 [Deutsche Parkinson] -, juris Rn. 46). Demgegenüber stelle das streitgegenständliche Betriebsverbot sogar einen schwereren Eingriff dar, wobei es allen nationalen staatlichen Stellen obliege, die für die Rechtfertigung einer Beschränkung erforderlichen Beweise beizubringen. Insoweit sei nicht dargelegt, warum das Verbot ihrer Tätigkeit in H. erforderlich sei, um eine (flächendeckende) sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Der Konkurrenz- und Besitzstandsschutz der stationären Apotheken sei kein tauglicher Rechtfertigungsgrund, wohingegen die Sicherheit des Medikamentenvertriebs bereits durch die Gleichwertigkeitsprüfung gewährleistet sei; zudem werde eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung durch die streitgegenständliche Versorgung in H. sogar verbessert.
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Hilfsweise sei von einer gänzlich neuen, dritten Form des grenzüberschreitenden In-Verkehr-Bringens von Arzneimitteln auszugehen, der gesetzlich in Deutschland noch nicht geregelt sei. Dieser neuen Form der Abgabe von Arzneimitteln könne § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dann aber nicht entgegengehalten werden. Zwar könne eine Beschränkung auf einen Vertrieb von Arzneimitteln nach der Rechtsprechung des EuGH ausschließlich auf die Distributionskanäle der stationären Apotheke und des Versandhandels grundsätzlich geeignet sein, dem Schutz der Gesundheit zu dienen; es sei aber zu prüfen, ob das streitgegenständliche Modell das Niveau der Sicherheit und Qualität der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ebenso wirksam sicherstellen könne. Insoweit könne das Urteil des EuGH vom 19.05.2009 – C-171/07 und C-172/07 [Doc Morris II] -, juris Rn. 55 ff., nicht herangezogen werden, da der EuGH das deutsche „Fremdbesitzverbot“ hier gerade mit der Erwägung gerechtfertigt habe, dass weder die Kommission noch sie selbst ein konkretes, zum Schutz der Gesundheit ebenso geeignetes anderes Vertriebssystem aufgezeigt hätten. Das nunmehr streitgegenständliche Modell sei demgegenüber genauso gut geeignet, den Gesundheits- und Verbraucherschutz sicherzustellen, gefährde – wie die Zulassung von Automatenapotheken zeige – den Gesundheits- und Verbraucherschutz nicht und stelle eine gleichmäßige und umfassende Versorgung flächendeckend sicher. Da der Beklagte mittlerweile unter der Bezeichnung „Praxis ohne Arzt“ ein Pilotprojekt für Telemedizin gestartet habe und § 17 Abs. 2 ApoBetrO auch die Zustellung von Arzneimitteln durch Boten nach Beratung durch Fernkommunikationsmittel – wie etwa Videotelefonie (vgl. BR-Drs. 324/19, S. 6) – erlaube, könne auch eine automatisierte Ausgabestation für Arzneimittel, die eine Internetberatung durch einen Apotheker ermögliche und eine kontrollierte Medikamentenabgabe sicherstelle, keine Gefahr darstellen. Jedenfalls sei die Rechtfertigung von Eingriffen in Grundfreiheiten stets – wie generell bei Dauerverwaltungsakten – auch anhand ihrer gegenwärtigen Auswirkungen zu prüfen.
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Schließlich sei das unionsrechtliche Kohärenzgebot verletzt. Insoweit zeige die durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) erfolgte Legalisierung der Medikamentenabgabe durch automatisierte Ausgabestationen, dass der Gesetzgeber von einer Gefährdung der Arzneimittelsicherheit nicht ausgehe. Diese Neuregelung lasse den Einsatz automatisierter Ausgabestationen im Versandhandel zwar auf dem Papier ausdrücklich zu, gestalte die Abgabe im Versandhandel dabei aber unattraktiv und schließe gerade das vorliegende Betriebsmodell aus, indem sie eine Bestückung der automatisierten Ausgabestationen erst nach der konkreten Bestellung ermögliche. Dies werde pauschal damit begründet, dass zum Schutz der Patientinnen und Patienten eine Beratung und Information der Patienten zu den Arzneimitteln vor der Bestückung der Ausgabestation sicherzustellen sei, die auch die Berücksichtigung sich aus der Beratung ergebender Informationen ermögliche. Warum eine Bestückung erst nach der Bestellung erforderlich sei, um diese Informationen noch berücksichtigen zu können, beantworte der Gesetzgeber nicht. Seine diskriminierende ergebe sich bereits aus den Begründungen der jeweiligen Referentenentwürfe, werde insbesondere aber aus der Stellungnahme des Bundesrates vom 20.09.2019 deutlich, die den späteren § 17 Abs. 1b Satz 3 ApBetrO abgelehnt habe, weil die Eröffnung des Einsatzes automatisierter Abgabeautomaten im Zusammenhang mit einer Versandhandelserlaubnis insbesondere europäische Versandapotheken begünstige und so die Intention des Gesetzentwurfs, Vor-Ort-Apotheken zu stärken, konterkariere (BR-Drs. 373/19/B, S. 3). Hieraus werde deutlich, dass der Gesetzesentwurf – wie auch schon im Fall der letztlich seitens des EuGH verworfenen Arzneimittelpreisbindung – zunächst auf den Wettbewerbsschutz nationaler Präsenzapotheken abgezielt habe und – bei im Übrigen unverändertem Inhalt – erst in späteren Entwurfsfassungen mit einer wettbewerblich neutralen Begründung versehen worden sei. Tatsächlich sei es dem Gesetzgeber jeweils um die Abschottung des Marktes vor Konkurrenz aus dem europäischen Ausland gegangen.
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Jedenfalls sei der Begriff des Versandhandels verfassungsform weit auszulegen. So habe das Bundesverfassungsgericht gewichtige Zweifel geäußert, ob eine restriktive Auslegung des § 11a ApoG, die ein Sammeln von Rezepten unter Auslieferung bestellter Arzneimittel im Wege der Botenzustellung ausschließe, durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt werden könne, da jedenfalls nicht offensichtlich sei, dass ein weiteres Verständnis des Versandhandels im Sinne des § 11a ApoG zu einem signifikanten Rückgang der Apothekendichte und einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung führe. Gleiches gelte für ihr Geschäftsmodell. Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht schon im Apothekenurteil den – hier fehlenden – Nachweis gefordert, dass die geordnete Arzneiversorgung bei Wegfall der Niederlassungsbeschränkungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so gestört würde, dass eine Gefährdung der Volksgesundheit zu befürchten sei.
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Schließlich verstoße sie auch nicht gegen deutsche Vorschriften zum Versandhandel. Schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG gehe lediglich von einer „entsprechenden“ Anwendung der nationalen Vorschriften aus, so dass im jeweiligen Fall geprüft werden müsse, ob eine entsprechende Anwendung in Betracht komme. Jedenfalls habe der Gesetzgeber den streitgegenständlichen Betrieb im Rahmen der Neuregelung des § 17 Abs. 1b ApBetrO als automatisierte Ausgabestation zugelassen.
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Zu Unrecht habe der Beklagte ihr im Hinblick auf die Androhung des Zwangsgeldes keine angemessene Frist gesetzt. Vorliegend sei nicht von einer reinen Unterlassungspflicht auszugehen, da zu deren Erfüllung im konkreten Fall bestimmte Vorbereitungshandlungen – wie die Anweisung ihrer Mitarbeiter, die Abschaltung des Videoberaters, die Abwicklung laufender Geschäftsvorgänge und die Schließung der Geschäftsräume für die Öffentlichkeit – nötig seien. Die Bestimmung einer Frist diene auch hier dazu, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu verwirklichen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 4. April 2019 – 3 K 5393/17 – zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.04.2017 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil. Der Medikamentenvertrieb mittels Ausgabeautomat sei sowohl nach alter wie auch neuer Rechtslage – und damit unabhängig von der Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken – unzulässig. Das Apothekengesetz verfolge mit der Sicherung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung und eines hohen Sicherheitsniveaus legitime Zwecke, die schon angesichts des Anliegens, eine Trivialisierung von Arzneimitteln als Waren besonderer Art zu unterbinden, klar umrissene und festgelegte Abgabemodelle erforderten. In allen Entwurfsfassungen habe der Gesetzgeber das Ziel der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in den Fokus gestellt. Eine zielgerichtete Unterbindung der Vertriebsmodelle der Klägerin könne schon deswegen nicht bezweckt gewesen sein, da das Gesetz auch Apotheken mit einer Versandhandelserlaubnis – d.h. auch die Klägerin – in gleichem Maße betreffe. Als Vertriebsform sui generis füge sich die von der Berufungsklägerin betriebene Ausgabestation jedoch nicht in den Numerus clausus der zulässigen Arzneimittelabgabeformen ein. Sie stelle insbesondere keinen Versandhandel dar. Eine Begriffsdefinition, die alleine auf den Bestellvorgang mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln abstelle, werde dem allgemeinen Wortverständnis nicht gerecht. Ein Verbot von Vertriebsmischformen sei gerechtfertigt, da diese nicht den geltenden Sicherheitsstandards entsprächen. Auch § 17 Abs. 1b) Satz 3 ApBetrO finde keine Anwendung, da die Abgabe der Arzneimittel durch die Klägerin nicht im Rahmen des zulässigen Versandhandels erfolge. Der Gesetzgeber habe Ausgabestationen nur zugelassen, um den besonderen Bedingungen des Versandhandels Rechnung zu tragen. Eine unabhängig vom Versandhandel betriebene Station widerspreche dem Willen des Gesetzgebers ebenso wie dem Numerus Clausus der zulässigen Abgabeformen.
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Soweit sich die Klägerin auf die Warenverkehrsfreiheit berufe, liege mangels Versandhandels bereits kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, da die Regelung des Mitgliedstaates nicht an den Grenzübertritt anknüpfe. Wenn die Bestellung beim Apotheker in den Niederlanden eingehe, sei die Ware ohnehin in Deutschland, da die Abgabe in H. erfolge. Der Sitz des Apothekers sei für die Zirkulation der Ware ebenso wenig entscheidend wie die stichprobenartige Überprüfung in den Niederlanden, da diese nicht zu dem Zweck erfolge, Handel zu treiben. Jedenfalls aber fehle es an der Kausalität zwischen der Grenzüberschreitung und der Untersagungsverfügung, da die Grenzüberschreitung hier bereits auf dem Weg vom Hersteller zum Pharmagroßhändler stattfinde, während die Untersagungsverfügung allein die Rechtsbeziehung zwischen dem Einzelhändler und den Endkunden betreffe. Im Übrigen berufe sich die Klägerin rechtsmissbräuchlich auf die Warenverkehrsfreiheit, da deren Anwendungsbereich nur durch die künstliche Einschaltung der T. eröffnet werde. Unabhängig davon sei eine Beschränkung bestimmter Verkaufsmodalitäten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beschränken, wenn sie – wie hier – für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelte, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühre. Die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Erlaubnis nach § 2 ApoG könne auch jemand erlangen, der nicht die deutsche Approbation als Apotheker besitze; die Klägerin könne lediglich wegen des Fremdbesitzverbots des § 8 Satz 1 ApoG in Deutschland keine Apotheke betreiben, das indes mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. Auch § 17 Abs. 1b) ApBetrO stelle keine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit dar, da sie lediglich Verkaufsmodalitäten betreffe; jedenfalls sei eine mögliche Beschränkung gerechtfertigt.
23

Dem Senat liegen die Verfahrensakte des erstinstanzlichen Verfahrens und die Behördenakte vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgenannten Akten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten im Berufungs(zulassungs)verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

24

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg, da der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 21.04.2017 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof nach § 267 Abs. 1 und 2 AEUV bedarf es nicht, da die maßgeblichen unionsrechtlichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt sind [unten II. 1. d)].
I.
25

Die bei sachdienlicher Auslegung des Klageantrags lediglich gegen Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids vom 21.04.2017 gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Dies gilt auch im Hinblick auf Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids, mit dem das Regierungspräsidium der Klägerin das Inverkehrbringen nicht für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegebener Arzneimittel mit Hilfe des Automaten in den Räumlichkeiten in H. untersagt hat. Der Klage fehlt insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, obwohl das Landgericht Mosbach mehreren Mitbewerbern der Klägerin mit – mittlerweile rechtskräftigen – Urteilen vom 15.02.2018 Unterlassungsansprüche gegen das streitgegenständliche Vertriebsmodell der Klägerin zugesprochen hat (vgl. LG Mosbach, Urteil vom 15.02.2018 – 3 O 11/17 – u.a.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -; BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 122/19 -, alle juris). Denn das Rechtsschutzbedürfnis bedarf im Verwaltungsprozess im Regelfall keiner besonderen Begründung. Es fehlt ausnahmsweise nur dann, wenn die Rechtsstellung der Klägerin selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre. Nutzlos ist eine Klage nur, wenn sie der Klägerin offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.10.2015 – 7 C 9.14 -, juris Rn. 18; stRspr.). Das könnte hier nur angenommen werden, wenn der Verwirklichung der von der Klägerin behaupteten Rechtsposition – der Ausübung ihrer mit dem angefochtenen Bescheid untersagten Tätigkeit – aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht zivilrechtliche Hindernisse entgegenstünden, die sich schlechthin nicht ausräumen ließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.2021 – 8 C 28.20 -, juris Rn. 9), Hiervon kann vorliegend jedoch keine Rede sein. Die zivilrechtlichen Unterlassungsverpflichtungen wirken nur im Verhältnis der jeweiligen Parteien bzw. derer Rechtsnachfolger (§ 325 Abs. 1 ZPO), wobei die der Klägerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedrohten zivilprozessualen Ordnungsmittel nur auf Antrag des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers festgesetzt werden (vgl. Gruber, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 890 Rn. 30). Sowohl die titulierten Unterlassungsansprüche als auch ihre Vollstreckung sind für die Beteiligten der jeweiligen Ausgangsverfahren daher disponibel, so dass die entsprechenden Unterlassungsverpflichtungen z.B. im Falle eines Vergleichs oder eines Vollstreckungsverzichts entfallen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.2021, a.a.O., zu einer vergleichbaren Fallgestaltung). Bei Verneinung der Zulässigkeit einer Klage gegen die Untersagung würde zudem der Rechtsschutz der Klägerin gegen die damit verbundene Zwangsmittelandrohung deutlich verkürzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.2021, a.a.O.).
II.
26

Die mithin auch weiterhin zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet.
27

1. Die auf § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) gestützte Untersagung, nicht für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegebene Arzneimittel mittels eines Automaten in den Räumlichkeiten in H. in den Verkehr zu bringen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
28

a) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können dabei insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn die in Nrn. 1 – 7 im Einzelnen benannten Voraussetzungen vorliegen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 AMG). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass zu den Verstößen, die hiernach die zuständigen Behörden zum Eingreifen ermächtigen, neben der Missachtung arzneimittelrechtlicher Vorschriften auch die Verletzung apothekenrechtlicher Bestimmungen gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 – 3 C 16.18 -, BVerwGE 168, 63, juris Rn. 8; stRspr.). Sie sind daher etwa nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 AMG i.V.m. §§ 5, 11b Abs. 3 ApoG verpflichtet, eine ohne Erlaubnis betriebene Apotheke zu schließen und einen unerlaubten Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel zu unterbinden. Ausgehend hiervon war der Beklagte vorliegend berechtigt und verpflichtet, gegen den von der Klägerin in H. betriebenen Arzneimittelvertrieb einzuschreiten, da dieser gegen die Apothekenpflicht des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG verstößt.
29

b) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, die – wie die hier in Rede stehenden apotheken- und rezeptpflichtigen Arzneimittel, auf die sich die von dem Beklagten ausgesprochene Untersagungsverfügung bezieht – nicht durch § 44 AMG oder aufgrund der der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 41 Abs. 3a – 6 und der § 47 ff. AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden (Hervorhebung nur hier); das Nähere regelt das Apothekengesetz. Auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ApoG regelt § 17 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) weitere Vorgaben für die Arzneimittelabgabe.
30

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Versand apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel (nur) an Inhaber einer Erlaubnis nach § 2 ApoG sind in § 11a ApoG geregelt; daneben ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, dass der Gesetzgeber die einer Apotheke eines Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach dem jeweiligen nationalen Rechteingeräumte Befugnis zum Versand von Arzneimitteln anerkennt, soweit dieses dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht und die Versendung entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel erfolgt (vgl. Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Aufl. 2020, § 43 Rn. 3; Mecking, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 11a ApoG Rn. 2). Nach § 21 ApoG i.V.m. § 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO dürfen Arzneimittel, außer im Falle des § 11a ApoG und des § 17 Abs. 2a ApBetrO, nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht und nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden. Nach § 17 Abs. 1b ApBetrO i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) sind automatisierte Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln unter den in Satz 1 Nrn. 1 – 3 und Satz 2 genannten weiteren Voraussetzungen nur zulässig, wenn sie sich innerhalb der Betriebsräume einer Apotheke befinden, einen Zugriff von außen für den Empfänger ermöglichen, sofern eine Ausgabe außerhalb der Betriebszeiten dieser Apotheke vorgesehen ist, und durch Personal dieser Apotheke bestückt werden (Satz 1), oder als automatisierte Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln für den zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln (Satz 3).
31

c) Ausgehend von diesem Numerus Clausus, der die zulässigen Formen des Inverkehrbringens apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel für den Endverbrauch abschließend normiert (vgl. Cyran/Rotta, ApBetrO, Stand: Januar 2020, § 17 Rn. 410 ff.; Lietz, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl. 2020, § 21 Rn. 51), ist der von der Klägerin im April 2017 bzw. im Zeitraum von April bis Juni 2017 in den Räumlichkeiten in H. praktizierte Vertriebsweg unzulässig.
32

aa) Die Klägerin verfügt unstreitig über keine nach § 1 Abs. 2 ApoG erforderliche Erlaubnis für den Betrieb einer Apotheke im Bundesgebiet; sie ist – schon aus Gründen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips – ohne ausdrückliche Anerkennungsentscheidung des nationalen Gesetzgebers oder der nationalen Behörden auch aufgrund ihrer von den niederländischen Aufsichtsbehörden erteilten Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke nicht berechtigt, eine Apotheke im Bundesgebiet zu betreiben. Die von der Klägerin gewählte Vertriebsform kann daher auch nicht nach § 17 Abs. 1b Satz 1 ApBetrO i.d.F. vom 09.12.2020 (BGBl. I, 2870) als zulässig angesehen werden, da die Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln nicht innerhalb der Betriebsräume einer (erlaubten) Apotheke erfolgt.
33

Eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 ApoG hat die Klägerin auch nicht beantragt, da sie selbst nicht vom Betrieb einer Apotheke im Bundesgebiet ausgeht und den unter Einbeziehung der Geschäftsräume in H. praktizierten Vertriebsweg als von der niederländischen Erlaubnis zum Betrieb einer (Versand)Apotheke gedeckt ansieht. Ob der Klägerin eine Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke im Bundesgebiet in Ansehung der u.a. in § 1 Abs. 2 und 3, § 2 und § 8 ApoG normierten Voraussetzungen erteilt werden könnte, ist daher nicht unmittelbarer Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (vgl. hierzu aber noch unten II. 1. c) cc) fff), gg); zur Vereinbarkeit des sog. Fremd- und Mehrbesitzverbots mit unionsrechtlichen Vorgaben EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris sowie unten II. 1. d)).
34

bb) Die Klägerin verfügt auch über keine Erlaubnis zum Versand apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach § 11a ApoG und hat eine solche Erlaubnis auch nicht beantragt. Sie könnte zudem nur an Inhaber einer Erlaubnis nach § 2 ApoG erteilt werden.
35

cc) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung handelt es sich bei der von ihr in H. gemeinsam mit T. praktizierten Vertriebsform auch nicht um eine zulässige Form des „Versandes an den Endverbraucher […] von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG, der von ihrer niederländischen Versandhandelserlaubnis gedeckt wäre.
36

aaa) Der Begriff des „Versandes“ ist weder im Arzneimittelgesetz, im Apothekengesetz noch in der Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich definiert (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.11.2006 – 13 A 1314/06 -, juris Rn. 53). Aus § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG ergibt sich jedoch, dass der Begriff des „Versandes“ eine begriffliche Unterform des berufs- und gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Arzneimitteln für den Endverbrauch beschreibt, das nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG neben dem Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, dem Feilhalten und dem Feilbieten als Vorbereitungshandlungen (vgl. – in einem das streitgegenständliche Vertriebsmodell in H. betreffenden wettbewerbsrechtlichen Verfahren – OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 61 f.) auch die „Abgabe“ an andere, d.h. die Besitzeinräumung im Sinne einer Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.03.2008 – 3 C 27.07 -, BVerwGE 131, 1, juris Rn. 16), umfasst. Insoweit unterscheiden der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber zwischen der Abgabe „in den Apothekenbetriebsräumen“ (§ 17 Abs. 1a Satz 1 ApBetrO), der Abgabe im Wege der Zustellung von Arzneimitteln durch Boten der Apotheke (§ 17 Abs. 2 ApBetrO) als Sonderform der Abgabe in den Betriebsräumen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 – 3 C 16.18 -, BVerwGE 168, 63, juris Rn. 18) und der Abgabe im Wege des Versandes apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel (§ 11a ApoG, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG) als Form der Abgabe von Arzneimitteln „aus der Apotheke heraus“ (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 13). Die nunmehr in § 17 Abs. 1b Satz 1 und 3 ApBetrO geregelte Abgabe durch automatisierte Ausgabestationen stellt demgegenüber keine eigenständige Vertriebsform dar, sondern ist den Vertriebsformen der Abgabe in den Apothekenbetriebsräumen bzw. im Wege des zugelassenen Versandhandels als besondere Vertriebsmodalitäten zugeordnet.
37

bbb) Hieraus wird deutlich, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber den mit verschiedenen Möglichkeiten des Transports und der Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt einhergehenden Gefahren durch differenzierte Regelungen Rechnung tragen will, die ein Abhandenkommen apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Medikamente ebenso ausschließen sollen wie eine Abgabe ohne die notwendige Verschreibung, eine Verwechselung von Arzneimitteln oder eine irrtümliche Abgabe an einen falschen Empfänger (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2020, a.a.O., juris Rn. 17 sowie BT-Drs. 15/1525, S. 161). Das in § 52 Abs. 1 AMG geregelte Verbot der Abgabe im Wege der Selbstbedienung bleibt dabei ausdrücklich unberührt (vgl. § 17 Abs. 1b Satz 4, Abs. 3 ApBetrO). Der Art und Weise der Kontaktaufnahme des Kunden mit der abgebenden Apotheke misst der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber demgegenüber – ungeachtet einzelner missverständlicher Passagen der Gesetzesbegründung, die den Versandhandel zum Teil mit den Begriffen des „eCommerce“ bzw. des „elektronischen Handels“ gleichsetzen, Letzteren zum Teil aber auch als Unterform des Versandhandels begreifen (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 165) – ersichtlich keine strukturelle Bedeutung für die Unterscheidung der genannten Vertriebswege bei, da diese lediglich die Modalitäten einer ggf. notwendigen Beratung betreffen und der Verordnungsgeber die Beratung im Wege der Telekommunikation einheitlich für alle genannten Vertriebswege zulässt (vgl. § 17 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 8, Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO). Dies schließt es aus, das von der Klägerin in H. praktizierte Vertriebsmodell alleine aufgrund der Einschaltung eines lediglich digital in den Geschäftsräumen in H. zugeschalteten „Videoberaters“ als Versandhandel zu qualifizieren (so – zu demselben Geschäftsmodell – im Ergebnis auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 71). Maßgeblich für die Unterscheidung der in § 73 Abs. 1 AMG, § 11a ApoG bzw. § 17 Abs. 1a – 2a ApBetrO genannten Vertriebsformen ist daher, ob das Arzneimittel in bzw. aus den Geschäftsräumen unmittelbar übergeben wird oder die Distanz zwischen den (Apotheken)Betriebsräumen und dem Empfänger durch Einschaltung von Apothekenpersonal bzw. Logistikunternehmen überbrückt wird. Beim Versand erfolgt die Arzneimittelabgabe dabei aus einer öffentlichen Apotheke heraus, ohne dass der Kunde gehalten ist, die Apothekenbetriebsräume zu betreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2020, a.a.O., juris Rn. 13 ff. auch zur Sonderform des Versandes durch apothekeneigene Boten). Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Versandhandel und der Abgabe von Arzneimitteln in einer Apotheke ist daher die Notwendigkeit der Beförderung bzw. des „Transports und der Auslieferung“ (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 2 lit. a) ApoG) der Ware zum Kunden (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 16 f.) bzw. der Übergabe der Arzneimittel an die Kunden außerhalb von (Apotheken)Betriebsräumen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28; Legner/Ullmann, PharmR 2019, 1 [5]; Stein, JR 2020, 149 [153]; im Ergebnis auch Wesser/Saalfrank, MedR 2018, 21 [25 f.]; zweifelnd Kühling/Weck, NVwZ 2017, 1725 [1729]). Dem entspricht es, dass auch der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass die „Modalitäten eines zulässigen Versands nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG“ „eine Versendung unmittelbar von der Apotheke an den Kunden verlangen“ (vgl. Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 123/19 -, juris Rn. 4).
38

ccc) Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin reklamierten allgemeinen Begriffsverständnis. Denn unabhängig davon, dass dem Arzneimittelrecht bei der gebotenen systematisch-teleologischen Auslegung [oben II. 1. c) cc) aaa), bbb)]; vgl. zu diesem Erfordernis auch BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 – 3 C 16.18 -, BVerwGE 168, 63, juris Rn. 17 ff., 23 ff.; sowie Urteil vom 13.03.2008 – 3 C 27.07 -, BVerwGE 131, 1, juris Rn. 19 ff.) ein spezifischer Versandbegriff zugrunde liegt, so dass es auf ein möglicherweise weiteres allgemeinsprachliches Begriffsverständnis nicht ankäme, folgt auch aus der vom Bundesverwaltungsgericht als Ausgangspunkt für die Auslegung des Versandbegriffs (hinsichtlich der Zulässigkeit auch des Versandes an Abholstationen) herangezogenen Definition der Brockhaus-Enzyklopädie (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 18 unter Verweis auf Brockhaus, 21. Aufl. 2005, Stichwort „Versandhandel“) lediglich, dass die Warenbestellung im Versandhandel regelmäßig unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln („durch Kataloge, Prospekte, Anzeigen, elektronische Medien oder Außendienstmitarbeiter […]“ bzw. „schriftlich, telefonisch, elektronisch oder mündlich bestellte […] Waren“) erfolgt, nicht aber, dass jedwede durch Telekommunikation vermittelte Warentransaktion dem Versandhandel zuzuordnen wäre. Vielmehr verdeutlicht schon der prägende Wortbestandteil des „Versand“handels, dass auch das allgemeinsprachliche Begriffsbild maßgeblich durch das Element der Versendung der Ware an einen außerhalb der für den Vertragsschluss („Handel“) genutzten Räumlichkeiten belegen Lieferort geprägt ist. Der bloßen Versendung der Ware im Vorfeld der Vertragsanbahnung, die alleine der angemessenen Bevorratung in Erwartung einer zukünftigen Nachfrage dient (und bei der Bevorratung für den Einzelhandel in gleicher Weise erfolgt), kann insoweit ersichtlich keine entscheidende Bedeutung zukommen, zumal Apotheken bei einem derart weiten Begriffsverständnis jedenfalls für die Abgabe von Fertigarzneimitteln stets (auch) einer Versanderlaubnis im Sinne des § 11a ApoG bedürften.
39

ddd) Ausgehend hiervon kann das von der Klägerin in H. praktizierte Vertriebsmodell nicht aufgrund des „antizipierten Medikamentenversands“ dem arzneimittelrechtlichen Versandbegriff zugeordnet werden (so auch – jeweils mit weiteren Argumenten – OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 71 ff. sowie Rn. 60 – 65 der angegriffenen Entscheidung). Denn der Versand der Arzneimittel aus den Geschäftsräumen der Klägerin in den Niederlanden an die Geschäftsräume der T. in H. erfolgt nicht – wie aber nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG erforderlich – unmittelbar „an den Endverbraucher“, sondern dient – nicht anders als die in Erwartung entsprechender Nachfrage erfolgende Bestellung anderer Präsenz- oder Versandapotheken – lediglich der Vorratshaltung zum Zweck einer späteren Abgabe an den Endverbraucher (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019, a.a.O., juris Rn. 75). Er betrifft damit bloße Beschaffungsmodalitäten, für die die Regelungen des Arzneimittelrechts über zulässige Vertriebswege grundsätzlich indifferent sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.2015 – 3 C 30.13 -, BVerwGE 151, 291, juris Rn. 12; BayVGH, Urteil vom 11.11.2013 – 9 BV 10.706 -, juris Rn. 36; ähnlich BGH, Urteil vom 12.01.2012 – I ZR 211/10 -, juris Rn. 16). Dies gilt unabhängig davon, ob die die Besitzeinräumung im Sinne einer Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt – wie in den vorgenannten Fällen – durch eine im Inland zugelassene Apotheke erfolgt, die die Verpflichtung zur Prüfung von Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der angelieferten Arzneimittel tatsächlich wahrnimmt, oder – wie hier – sich die Klägerin durch Vorabprüfung der Ware in den Niederlanden und die Tätigkeit des fachlich qualifizierten und in Deutschland als Apotheker bzw. pharmakologisch-technischer Assistent zugelassenen Videoberaters bemüht, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln bestehenden Apothekerpflichten selbst zu erfüllen. Denn diese Frage betrifft alleine die Vereinbarkeit der – in beiden Fällen vorliegenden – Abgabe von Arzneimitteln in den (Apotheken)Geschäftsräumen mit sonstigen arzneimittelrechtlichen Vorschriften und lässt die Abgrenzung zwischen einer Abgabe in bzw. aus den Räumlichkeiten der T. und einer – ggf. an § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zu messenden – Versendung an den Endverbraucher durch die Klägerin unberührt. Sie ändert auch nichts daran, dass die Abgabe der Arzneimittel an den Endverbraucher vorliegend keiner Überbrückung einer räumlichen Distanz zwischen den (Apotheken)Betriebsräumen und dem Empfänger bedarf, so dass die Tätigkeit der Klägerin bzw. der T. vorliegend auch bei Einhaltung der übrigen arzneimittelrechtlichen Anforderungen einer Erlaubnis nach § 2 ApoG bedürfte. Schließlich stellt ein – insbesondere grenzüberschreitender – „antizipierter Versand“ entgegen der Intention des Gesetzes nicht sicher, dass die nach Bestellungseingang aus dem (Zwischen-)Lager überlassenen Arzneimittel aus einer vom Apotheker bis zur „Absendung“ an den konkreten Patienten kontrollierten, die Belange der Arzneimittelsicherheit gewährleistenden Sphäre stammen, und unterliefe die angestrebte staatliche Überwachung (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 82; ähnlich Stein, JR 2020, 149 [155]).
40

eee) Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, dass – wie die Klägerin ausdrücklich vorträgt – der Transport auf der „letzten Meile“ zwischen dem im nichtöffentlichen Teil der Geschäftsräume von T. betriebenen Medikamentenlager und dem Endverbraucher über ein Förderband erfolgt. Denn insoweit hat schon das Verwaltungsgericht zutreffend auf den Umstand verwiesen, dass dies – unabhängig von der technisch-mechanischen Ausgestaltung im Einzelnen – der Anforderung bereitgehaltener Arzneimittel aus dem Medikamentenlager einer Präsenzapotheke entspricht, auch wenn sich die verantwortliche und die Freigabe des Arzneimittels letztlich technisch veranlassende Person außerhalb der Geschäftsräume befindet. Insbesondere dient der bei formaler Betrachtung stattfindende „Transport“ auf dem Förderband nicht der Überbrückung der Distanz zwischen den (Apotheken)Betriebsräumen und dem Empfänger, sondern der – für die rechtliche Einordnung unerheblichen – Logistik innerhalb der Betriebsräume. Dass weder die Klägerin noch die T. über eine Apothekenerlaubnis nach § 2 ApoG verfügen, ist für die rechtliche Einordnung der Betriebsräume als (faktische) Apothekenbetriebsräume unerheblich, die die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 2 ApoG ggf. begründet (missverständlich insoweit Stein, JR 2020, 149 [151]; Legner/Ullmann, PharmR 2019, 1 [2] sowie Rn. 49 der angegriffenen Entscheidung). Unabhängig davon erstreckt sich die der Klägerin erteilte niederländische Versandhandelsgenehmigung nicht auf diesen ausschließlich im Bundesgebiet stattfindenden Transportvorgang und könnte sich schon aus Gründen des Territorialitätsprinzips nicht auf diesen erstrecken (vgl. hierzu – unabhängig von einem möglicherweise weiteren, „funktionellen“ Apothekenbegriff des niederländischen Rechts – auch das Schreiben der Inspectie Gezondheidszorg en Jeugd vom 21.11.2017, VG-Akte S. 159), so dass die Klägerin selbst bei – fernliegender – Annahme eines Versandhandels einer – hier weder vorliegenden noch beantragten – Erlaubnis nach § 11a i.V.m. § 2 ApoG bedürfte (vgl. Senatsurteil vom 02.01.2008 – 9 S 2850/06 -, juris Rn. 24 ff. zur Erlaubnispflicht für den Arzneimittelgroßhandel).
41

fff) Eine erweiternde, auch das hier vorliegende Vertriebsmodell der Klägerin umfassende Auslegung des Versandhandelsbegriffs ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn anders als in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.11. 2018 – 1 BvR 442/18 -, juris Rn. 5 und OVG NRW, Urteil vom 07.11.2006 – 13 A 1314/06 -, juris Rn. 53 ff. steht vorliegend nicht die Erstreckung einer nach Maßgabe des Apothekengesetzes erteilten Apothekenerlaubnis (mit akzessorischer Versandhandelserlaubnis) auf Versandhandelsformen i.w.S. (wie die Sammlung von Rezepten unter Auslieferung bestellter Arzneimittel im Wege der Botenzustellung oder den Versand an in den Geschäftsräumen Dritter eingerichtete Abholstationen) in Rede, bei denen alleine die Gewährleistung eines vergleichbar hohen Maßes an Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit im Hinblick auf Transportmodalitäten fraglich sein könnte. Vielmehr geht es um die erstmalige Eröffnung des Marktzugangs für die Abgabe apotheken- bzw. rezeptpflichtiger Arzneimittel im Rahmen eines Filialbetriebes, für die der Klägerin, bei der sich um eine juristische Person nach niederländischem Recht handelt, nach nationalen Bestimmungen (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, § 7, § 8 ApoG) namentlich unter dem Gesichtspunkt des Fremdbesitzverbots keine Apothekenerlaubnis erteilt werden könnte (vgl. Wesser/Saalfrank, MedR 2018, 21 [26]; vgl. auch Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 7 ApoG Rn. 1, § 8 ApoG Rn. 1 f.; Lietz, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Auflage 2020, § 21 Rn. 54 f.; Senge/Hadamitzky, Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Mai 2021, § 7 ApoG Rn. 1 ff., § 8 Rn. 1; Mecking, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl. 2018 § 2 ApoG Rn. 19 ff., § 7 ApoG Rn. 1 ff.). Die Verfassungsmäßigkeit des sog. Fremd- und Mehrbesitzverbots, dem das traditionelle Leitbild der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch den (selbstständigen) „Apotheker in seiner Apotheke“ zugrunde liegt, hat das Verfassungsgericht ausdrücklich bestätigt (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 13.02.1964 – 1 BvL 17/61 -, BVerfGE 17, 232, juris Rn. 43 ff.) und auch in der von der Klägerin zitierten jüngeren Entscheidung nicht in Zweifel gezogen. Hierfür besteht unter Berücksichtigung der dem Gesetzgeber insoweit im Interesse der Wahrung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung eingeräumten Gestaltungsfreiheit auch kein Anlass (zur unionsrechtlichen Perspektive vgl. unten II. 1. d) bb)).
42

ggg) Vor diesem Hintergrund kann die Vertriebsform der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt des zugelassenen Versandhandels mit Arzneimitteln nach § 17 Abs. 1b Satz 3 ApBetrO als zulässig angesehen werden.
43

dd) Entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung handelt es sich bei der in H. praktizierten Vertriebsform folglich nicht um eine „gänzlich neue, dritte Form des grenzüberschreitenden In-Verkehr-Bringens von Arzneimitteln“, die gesetzlich in Deutschland noch nicht geregelt wäre. Vielmehr stellt sich das von der Klägerin propagierte Vertriebsmodell – wie letztlich auch schon in der von der Klägerin verwendeten Bezeichnung als „Apotheke der Zukunft“ zum Ausdruck kommt – als eine durch die Einschaltung des „Videoberaters“ und des ferngesteuerten Ausgabeautomaten lediglich technisch modifizierte Abgabe apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel in einer (faktischen) Apotheke dar, für die weder die Klägerin noch die in deren Auftrag tätige T. über die nach § 1 Abs. 2 ApoG erforderliche Erlaubnis verfügt. Wird eine solche (faktische) Apotheke ohne Erlaubnis betrieben, hat die zuständige Behörde – hier das Regierungspräsidium Karlsruhe als nach § 1 Abs. 1 Pharmazie- und Medizinprodukte-Zuständigkeitsverordnung Baden-Württemberg vom 17.10.2000 i.d.F. vom 26.03.2002 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG zuständige Aufsichtsbehörde – diese zu schließen (§ 5 ApoG). Ob der Betrieb einer solchen „Apotheke der Zukunft“ den gesetzlichen Anforderungen an den Betrieb einer Apotheke – insbesondere den zwischen den Beteiligten streitigen Prüf- und Dokumentationspflichten (vgl. hierzu allerdings OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 83 ff. sowie nachfolgend BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 122/19 -, juris Rn. 4) oder sonstigen Apothekerpflichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2010 – 3 C 30.09 -, BVerwGE 137, 213, juris Rn. 22 ff.) – genügte, bedarf vorliegend keiner Vertiefung, weil weder die Klägerin noch die in deren Auftrag tätige T. eine entsprechende Erlaubnis beantragt haben. Im Übrigen geht der Senat – wie bereits dargelegt – davon aus, dass der Klägerin als juristischer Person mit Blick auf das Fremd- und das Mehrbesitzverbot (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, § 7, § 8 ApoG) sowie die damit verbundenen besonderen Anforderungen (§ 2 Abs. 4 und 5 ApoG) eine Apothekenerlaubnis nach § 2 ApoG nicht erteilt werden könnte.
44

d) Die Beschränkung der Abgabe apotheken- und rezeptpflichtiger Arzneimittel an Endverbraucher auf die vorgenannten Vertriebswege ist auch mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.
45

aa) Allerdings dürften die streitgegenständlichen Normen an Art. 34 AEUV (Warenverkehrsfreiheit) zu messen sein, ohne dass der Klägerin vorgehalten werden kann, sich betrügerisch oder missbräuchlich auf das Unionsrecht zu berufen. Denn auch wenn die Bemühungen der Klägerin, die in H. praktizierte Vertriebsform u.a. durch Einschaltung der T., das (begriffliche) Konzept des „antizipierten Versandes“ und die Verwendung eines ferngesteuerten Förderbandes zum Transport des Arzneimittels innerhalb der Geschäftsräume in H. als Form des nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zulässigen Versandes erscheinen zu lassen, auch den Senat nicht überzeugen, hängt die Anwendbarkeit der Warenverkehrsfreiheit nicht von der nationalrechtlichen Einordnung als „Versand“ oder als andere Form der Abgabe von Arzneimitteln ab. Vielmehr hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden, dass eine Beschränkung des Verkaufs von Arzneimitteln auf die Abgabe in Apotheken die Warenverkehrsfreiheit berührt und gegenüber Apotheken, die nicht im Bundesgebiet ansässig sind, eine rechtfertigungsbedürftige Maßnahme gleicher Wirkung darstellen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.2003 – C-322/01 [Deutscher Apothekerverband / DocMorris I] -, juris Rn. 66 ff. sowie – spezifisch zur Frage der missbräuchlichen Wiedereinfuhr – Rn. 127 ff. Vgl. zum konkreten Sachverhalt auch Brigola, JA 2020, 915 [918]). Nichts anderes dürfte nach Lockerung des deutschen Versandhandelsverbots für apotheken- bzw. verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, da ein (zulässiger) Versandhandel im Sinne der nationalen Vorschriften nicht vorliegt [siehe oben II. 1. c) cc)] und die Eröffnung des Marktzugangs im Wege des Versandhandels den Marktzugang ausländischer (Versand)Apotheken nicht in gleicher Weise öffnet wie den Markzugang inländischer Apotheken, die auch zur Abgabe apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Medikamente innerhalb der Apotheke befugt sind (vgl. EuGH, Urteile vom 19.05.2009 – C-171/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 22 ff., und vom 19.10.2016 – C-148/15 [Deutsche Parkinson] -, juris Rn. 24 f.; vgl. im Hinblick auf das hier streitgegenständliche Vertriebskonzept auch Kühling/Weck, NVwZ 2017, 1725 [1728] [bejahend]; Legner/Ullmann, PharmR 2019, 1 [5]; Brigola, JA 2020, 915 [918 ff.]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019 – 6 U 36/18 -, juris Rn. 99, [jeweils verneinend] sowie nachfolgend BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 123/19 -, juris Rn. 2 [offen gelassen]).
46

bb) Der danach vorliegende Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit ist jedoch mit Blick auf Art 36 AEUV gerechtfertigt.
47

aaa) Mit Urteil der Großen Kammer vom 19.05.2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass die Grundfreiheiten nationalen Vorschriften, die allein Apothekern das Recht vorbehalten, eine Apotheke zu betreiben und die Anzahl der zulässigen Filialapotheken eines Apothekers beschränken, unter Berücksichtigung des den Mitgliedstaaten bei der Wahrung des Schutzes von Gesundheit und menschlichem Leben eingeräumten Wertungsspielraums und des besonderen Charakters von Arzneimitteln, der sie von sonstigen Waren unterscheidet, nicht entgegenstehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07, C-172/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 61). Ebenso hat er zwar bereits mit Urteil vom 11.12.2003 ein nationales Verbot des Versandhandels mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beanstandet (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.2003 – C-322/01 [Deutscher Apothekerverband / DocMorris I] -, juris Rn. 124 auch zur Vereinbarkeit eines – im Bundesgebiet seit Schaffung des § 11a ApoG mit Art. 20 Nr. 10 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz – GMG vom 14.11.2003; BGBl. I, 2190] nicht mehr fortgeltenden – Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten) beanstandet, um das es vorliegend indes nicht geht. Denn die Klägerin betreibt im Rahmen ihres regulären Vertriebsmodells zwar einen auch im Bundesgebiet zulässigen Arzneimittelversand und kann als Inhaberin einer entsprechenden Erlaubnis auch – unter den in § 17b Abs. 1b Satz 3 ApBetrO geregelten, zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitigen Voraussetzungen – von der Zulassung automatisierter Ausgabestationen für den Versandhandel profitieren. Im Rahmen des hier streitgegenständlichen Vertriebsmodells betreibt die Klägerin indes – wie dargelegt – der Sache nach eine – wenngleich zum Teil technisch modifizierte – Präsenzapotheke, ohne über die hierfür nach § 1 Abs. 2 ApoG erforderliche Erlaubnis zu verfügen oder – aufgrund des Fremd- und Mehrbesitzverbots – eine solche erlangen zu können.
48

bbb) Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union jedoch auch in der von der Klägerin angeführten jüngeren Entscheidung vom 19.10.2016 bestätigt, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen unter den von Art. 36 AEUV geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnehmen und es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.10.2016 – C-148/15 [Deutsche Parkinson] -, juris Rn. 30 m.w.N.). Die in dieser Entscheidung konkret formulierten Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen gleicher Wirkung dürften auf die hier in Rede stehende Fallgestaltung indes nicht unmittelbar übertragbar sein, da das hier einschlägige Fremd- bzw. Mehrbesitzverbot – anders als die Festschreibung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – unmittelbar dem Gesundheitsschutz dient (vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 123/19 -, juris Rn. 11). Jedenfalls aber begegnet es in der Sache keinen Zweifeln, dass Arzneimittel aufgrund ihrer therapeutischen Wirkungen, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen können, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann, und eine übermäßige Einnahme oder falsche Verwendung von Arzneimitteln zu einer Verschwendung finanzieller Mittel der Krankenversicherungsträger beitragen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07, C-172/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 31 ff.). Mit Blick auf die Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherungssysteme hat der Gerichtshof der Europäischen Union jedoch bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf von Arzneimitteln im Einzelhandel grundsätzlich Apothekern vorbehalten können, da das private Gewinnerzielungsinteresse von Apothekern durch deren Ausbildung, berufliche Erfahrung und die ihnen obliegende Verantwortung gezügelt wird. Insoweit kann ein Mitgliedstaat im Rahmen des ihm eingeräumten Wertungsspielraums der Ansicht sein, dass der Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen kann, weil das Gewinnstreben im Rahmen eines derartigen Betriebs nicht mit mäßigenden Faktoren einhergeht, die die Tätigkeit der Apotheker kennzeichnen. Es ist einem Mitgliedstaat insbesondere unbenommen, im Rahmen des genannten Wertungsspielraums zu beurteilen, ob eine derartige Gefahr bei Herstellern und Großhändlern pharmazeutischer Produkte deshalb vorliegt, weil sie die Unabhängigkeit der angestellten Apotheker dadurch beeinträchtigen könnten, dass sie diese zu einer Förderung selbst hergestellter oder vertriebener Arzneimittel anhalten, und anzunehmen, dass Betreiber, die keine Apotheker sind, die Unabhängigkeit lediglich angestellter Apotheker dadurch zu beeinträchtigen, dass sie diese dazu anhalten, Arzneimittel zu verkaufen, deren Bevorratung nicht mehr einträglich ist, oder dass diese Betreiber Betriebskostenkürzungen vornehmen, die geeignet wären, die Modalitäten des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07, C-172/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 37 ff.; vgl. aus verfassungsrechtlicher Sicht auch BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 13.02.1964 – 1 BvL 17/61 -, BVerfGE 17, 232, juris Rn. 43 ff.). Die hier entwickelten Maßstäbe hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch in seiner jüngeren Rechtsprechung ausdrücklich fortgeschrieben und den bestehenden Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten dabei (erneut) ausdrücklich betont (vgl. EuGH, Urteil vom 01.10.2020 – C-649/18 [A. / Daniel B.] -, juris Rn. 66 ff., 80 ff.).
49

ccc) In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch ausdrücklich festgehalten, dass kein konkretes System ersichtlich geeignet sei, ebenso wirksam wie die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern zu gewährleisten, dass in der Praxis nicht gegen Rechtsvorschriften zur Sicherstellung der beruflichen Unabhängigkeit der Apotheker verstoßen werde würde (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07, C-172/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 54 ff.). Ein solches alternatives System stellt auch das von der Klägerin in H. geplante, auf einem Zusammenwirken mehrerer mit der Klägerin verbundener Unternehmen beruhende Vertriebsmodell nicht dar. Denn es vertraut die Einhaltung arzneimittelrechtlicher Einzelanforderungen zum Schutz einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung bzw. der Arzneimittelsicherheit gerade abhängig beschäftigten – und damit weisungsabhängigen – Apothekern und pharmakologisch-technischen Assistenten an, die zudem regelmäßig mit der Betreuung einer Vielzahl von Abgabestationen betraut sein dürften. Auf die Frage, ob die jeweiligen Einzelanforderungen an die sichere und zuverlässige Abgabe von Arzneimitteln in technischer Hinsicht auch durch Zuschaltung eines angestellten Apothekers im Wege der Videoübertragung erfüllt werden könnten, kommt es mithin nicht an (vgl. Brigola, JA 2020, 915 [922 ff.]; a.A. Kühling/Weck, NVwZ 2017, 1725 [1729] ohne spezifisches Problembewusstsein).
50

ddd) Diese rechtlichen wie tatsächlichen Rahmenbedingungen sieht der Senat weiterhin als gegeben an. Sie werden – auch im Hinblick auf die vom Gerichtshof der Europäischen Union ausdrücklich festgestellte und begründete Kohärenz des nationalen Fremd- und Mehrbesitzverbots (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009 – C-171/07, C-172/07 [Apothekerkammer des Saarlandes / DocMorris II] -, juris Rn. 42 ff.) auch durch die Neuregelung des § 17 Abs. 1b ApBetrO nicht in Frage gestellt. Soweit die Klägerin der Bezeichnung des „Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ und insbesondere den jeweiligen Referentenentwürfen eine Absicht des normändernden Gesetzgebers entnimmt, die Voraussetzungen für die erstmalige Zulassung des Einsatzes automatisierter Arzneimittelausgabestationen vorrangig im Interesse der wirtschaftlichen Sicherung der Präsenzapotheken (zum Nachteil insbesondere ausländischer Versandapotheken) zu formulieren, nimmt sie nicht ausreichend in den Blick, dass im Rahmen des Normsetzungsverfahrens nicht nur die Begründung, sondern auch der Normwortlaut des § 17 ApBetrO gegenüber dem ursprünglichen Referentenentwurf geändert wurde, so dass dieser nunmehr auch den Betrieb automatisierter Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln für den zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln ermöglicht (§ 17 Abs. 1b Satz 3 ApBetrO; BT-Drs. 19/21732, S. 26). Dem von der Klägerin diesem Zusammenhang angeführten Vorschlag einer Streichung der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Versandapotheken, der ausdrücklich mit einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken insbesondere gegenüber europäischen Versandapotheken begründet wurde (vgl. BR-Drs. (B) 373/19/B, S. 3), war der normändernde Gesetzgeber demgegenüber ausdrücklich nicht gefolgt. Von der Neuregelung des § 17 Abs. 1b Satz 3 ApBetrO könnte die Klägerin im Rahmen ihres regulären Vertriebsmodells daher unmittelbar profitieren, ohne dass sie sich als ausländische Versandapotheke rechtlichen Nachteilen gegenüber inländischen Versandapotheken ausgesetzt sähe. Soweit die Klägerin insoweit eine faktische Benachteiligung bzw. diskriminierende Absicht des Gesetzgebers durch für sie praktisch nicht erfüllbare Tatbestandsvoraussetzungen geltend macht, wären diese bei der Auslegung und Anwendung des § 17 Abs. 1b Satz 3 ApBetrO zu berücksichtigen, um die es – in Ermangelung eines Vertriebs im Wege des Versandhandels – vorliegend indes nicht geht. Denn einen vom Betrieb einer Apotheke bzw. von dem zugelassenen Versandhandel unabhängigen Vertriebsweg lässt auch die Neuregelung des § 17 Abs. 1b ApBetrO nicht zu [oben II. 1. c) cc) aaa)].
51

Die Neuregelung des § 17 Abs. 1b Satz 1 ApBetrO, die nunmehr auch Vor-Ort-Apotheken eine Abgabe von Arzneimitteln außerhalb der regulären Öffnungszeiten ermöglicht, zieht die Kohärenz des Apothekenmonopols bzw. des Fremd- und Mehrbesitzverbots ebenfalls nicht in Zweifel. Denn sie unterwirft die Abgabe von Arzneimitteln über automatisierte Ausgabestationen innerhalb der Betriebsräume von Apotheken keinen geringeren Anforderungen als im zugelassenen Versandhandel. Darüber hinaus lassen die technischen Modalitäten der Abgabe die Erwägungen, aus denen der nationale Gesetzgeber – insbesondere im Hinblick auf die Mäßigung des privaten Gewinnerzielungsinteresses von Apothekern durch deren Ausbildung, berufliche Erfahrung und die ihnen obliegende Verantwortung – auch weiterhin an Fremd- und Mehrbesitzverbot festhält, unberührt. Dass der normändernde Gesetzgeber den Zugang zu den nach § 17b Abs. 1b ApBetrO nunmehr erlaubten ergänzenden Vertriebsmodalitäten auf solche Marktteilnehmer beschränken wollte, die über eine Apothekenerlaubnis im Sinne des § 1 Abs. 2 ApoG verfügen oder – nach Maßgabe des § 11a ApoG oder des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG – in zulässiger Weise am Versandhandel mit Arzneimitteln teilnehmen, ist demnach ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere erlaubt der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen, nicht die Annahme, dass Letztere unverhältnismäßig wären (EuGH, Urteil vom 18.09.2019 – C-222/18 [VIPA] -, juris Rn. 71).
52

Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 und 2 AEUV bedarf es unter diesen Umständen nicht, weil die maßgeblichen Rechtsfragen auch weiterhin geklärt sind (so auch – zum im Wesentlichen identischen Sachverhalt – BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – I ZR 121/19 -, juris Rn. 2 f. m. Anm. Jukić, jurisPR-IWR 7/2020, Anm. 3; ähnlich Brigola, JA 2020, 915 [922 ff.]; a.A. – aufgrund vom Senat nicht geteilter Prämissen – Kühling/Weck, NVwZ 2017, 1725 [1729]).
53

e) Das von der Klägerin geplante und jedenfalls im April 2017 bzw. im Zeitraum von April bis Juni 2017 – im Zusammenwirken mit T. – in H. praktizierte Modell zum Vertrieb apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel verstößt folglich gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 AMG i.V.m. § 1 Abs. 2 ApoG. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 5 ApoG war der Beklagte daher verpflichtet, gegen die Abgabe zulassungspflichtiger Arzneimittel im Rahmen des oben beschriebenen Vertriebssystems einzuschreiten; nichts anderes gilt unter Berücksichtigung der Parallelwertung des § 11b Abs. 3 ApoG. Ein vorrangiges Einschreiten gegenüber der T. hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht nicht in Betracht gezogen, da diese lediglich im Auftrag der Klägerin tätig wurde, die auch nach eigenen Angaben die alleinige Verantwortung für die Umsetzung des zu beanstandenden Vertriebsmodells in H. trägt (vgl. auch Senatsurteil vom 02.01.2008 – 9 S 2850/06 -, juris Rn. 35). Die Untersagungsverfügung wird auch den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerecht. Ihre Eignung zur Beseitigung der festgestellten Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße liegt auf der Hand. Mildere Mittel – etwa im Sinne einzelner Auflagen oder eines beschränkten Vertriebsverbots – sind nicht ersichtlich, da der zugrundeliegende Verstoß gegen die Apothekenpflicht bzw. den Numerus Clausus der zulässigen Vertriebsformen auf diese Weise nicht beseitigt werden könnte. Schließlich bestehen auch keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, da das ihr zugrundeliegende Vertriebsverbot seinerseits verhältnismäßig ist und die Klägerin die mit der Eröffnung des neuen Vertriebswegs verbundenen wirtschaftlichen Risiken auf eigene Verantwortung übernommen hat (vgl. § 6 ApoG). Ziffer 1 des Bescheids des Beklagten vom 21.04.2017 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
54

2. Auch die mit Ziffer 3 des Bescheids des Beklagten vom 21.04.2017 erfolgte Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig.
55

a) Die gesetzlichen Voraussetzungen der § 2 Nr. 2, § 4 Abs. 1, § 18, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 – 4 i.V.m. § 23 LVwVG liegen vor; der Beklagte war insbesondere nicht zur Androhung unter Fristsetzung verpflichtet, weil mit dem angedrohten Zwangsgeld ein Unterlassen erzwungen werden soll (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 LVwVG). Insbesondere liegt vorliegend kein Fall vor, in dem zur Erfüllung der Unterlassungspflicht im konkreten Fall bestimmte Vorbereitungshandlungen erforderlich wären, die ausnahmsweise eine Fristsetzung gebieten könnten (vgl. hierzu OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 11.09.2014 – OVG 10 S 8.13 -, juris Rn. 6; im Übrigen bezieht sich diese Entscheidung auf die Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG i.V.m. § 5a BlnVwVfG, die keine mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 LVwVG vergleichbare Ausnahmebestimmung enthalten). Denn zur Erfüllung der Verpflichtung, das Inverkehrbringen apotheken- bzw. verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit Hilfe des Automaten in H. zu unterlassen, muss der „Videoberater“ der Klägerin lediglich die Anforderung bzw. Freigabe entsprechender Arzneimittel aus den Lagerbeständen unterlassen, da der Begriff des „Inverkehrbringens“ die bloße Vorratshaltung ohne die Absicht des Verkaufs bzw. der sonstigen Abgabe nicht umfasst (§ 4 Abs. 17 AMG). Zur Erfüllung noch nicht vollzogener Bestellungen nicht präsenter Arzneimittel, die nach dem vorliegenden Vertriebsmodell nur innerhalb der Geschäftsräume in H. erfolgen könnte, ist die Klägerin mit Bekanntgabe der sofort vollziehbaren Verfügung nicht mehr verpflichtet, da ihr ein behördliches Veräußerungsverbot entgegensteht (§ 136 i.V.m. § 275 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB); einer besonderen Rücksichtnahme auf den laufenden Vertrieb der Klägerin bedurfte es nicht, weil sie die mit der Eröffnung des neuen Vertriebswegs verbundenen wirtschaftlichen Risiken auf eigene Verantwortung übernommen hat (vgl. § 6 ApoG). Im Übrigen zeigt schon die sofortige (Teil)Betriebseinstellung noch am Tag des Zugangs der Untersagungsverfügung, dass es besonderer Vorbereitungshandlungen insoweit nicht bedurfte. Dass vorliegend die Einräumung einer zumindest kurzen Frist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten gewesen wäre, um das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zu wahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.1963 – I C 142.59 -, juris Rn. 12), legt die Klägerin nicht nachvollziehbar dar; dies ist angesichts der tatsächlichen Abläufe auch nicht ersichtlich.
56

b) Die Ausübung des dem Beklagten eingeräumten Vollstreckungsermessens (§ 2 LVwVG bzw. § 19 Abs. 2, § 20 Abs. 4 i.V.m. § 23 LVwVG) ist in Ansehung der Bedeutung des Apothekenmonopols für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, des fehlenden Vertrauensschutzes der Klägerin und deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht zu beanstanden; insbesondere handelt es sich bei dem angedrohten Zwangsgeld im Vergleich zu anderen in Betracht kommenden Zwangsmitteln um das Zwangsmittel, das den Pflichtigen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt (§ 19 Abs. 2 LVwVG).
57

3. Gegen die mit Ziffer 4 der angegriffenen Verfügung vom 21.04.2017 erfolgte Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 500 EUR sind konkrete Einwände nicht erhoben worden. Die Gebühr beruht auf § 1 Satz 1, §§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1, § 12 Abs. 4 LGebG i.V.m. dem Gebührenrahmen der Ziffer 13.7 der Verordnung des Sozialministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Sozialministeriums (Gebührenverordnung Sozialministerium – GebVO SM) vom 06.05.2013 in der zum Zeitpunkt der Beendigung der öffentlichen Leistung (vgl. § 7 Abs. 2, § 12 Abs. 3 Satz 1 LGebG) anwendbaren Fassung vom 29.01.2015 (GBl. S. 96, 97). Sie ist weder dem Grunde noch der konkreten Höhe nach zu beanstanden (§ 7 LGebG).
III.
58

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
59

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.
60

Beschluss

vom 21. Oktober 2021
61

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG unter Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 auf 100.000 EUR festgesetzt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht für das Jahr 2017 nachvollziehbar einen durchschnittlichen Gewinn einer Apotheke vor Steuern in Höhe von 144.000 EUR angenommen und im Hinblick auf das hier streitgegenständliche Vertriebsmodell einen Abschlag in Höhe von ca. 1/3 angesetzt. Dieser Näherungswert, gegen den die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, erscheint dem Senat auch für das hier maßgebliche Jahr 2019 (vgl. § 40 GKG) sachgerecht (vgl. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Die Apotheke – Zahlen, Daten, Fakten 2021, S. 70).
62

Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG)

Originally posted 2022-01-07 13:52:27.

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